just a little bit beyond...

Leninisten mit Klappe

Die Antideutschen

Die Antideutschen sind die Wiedergänger in der deutschen Linken. Die Auflösung der autonomen Szene und den Niedergang der von Bürgersöhnen und -töchtern dominierten BRD-Linken der 80’ger und 90’ger haben sie durch einen wohl-erprobten Trick überlebt: Bildung einer (oder zählt man die Verwurflinien innerhalb der Anti-Deutschen mit, dann sogar mehrere) K-Gruppen.

Eine K-Gruppe, das bedeutet Leninismus. Die Gemeinsamkeiten der Antideutschen mit dem Leninismus sind sowohl taktischer als auch inhaltlicher Natur. Folgende drei Stichpunkte sollen erstmal als Charakterisierung reichen:

  1. Autoritätsgläubigkeit
  2. Festhalten an der Avantgarde-Theorie
  3. Parteibildung

Die folgenden Zitate sind alle aus: ‘Mit Wimpeln und Mützchen’, Jungle World Nr. 32, 7.8.08 von Stephan Grigat.
Der Titel zielt auf den Artikel ‘Leninisten mit Knarre‘ aus der 883 vom Dezember 1971 über die RAF.

Autoritätsgläubigkeit:

Und der eine oder die andere Antideutsche jüngeren Semesters sollte besser Adorno lesen als eifrig Hebräisch zu pauken.

Eine recht verächtliche Bemerkung über Novizen, die die wahre Lehre (noch) nicht verstanden haben, in der natürlich der Verweis auf die wirkliche Vaterfigur nicht fehlen darf. Hier sollen sich Leute erstmal ihre Sporen verdienen, scheint es.

Und bitte den unglaublichen Anmerkungsapparat beachten, der in einem Zeitungsartikel nichts zu suchen hat. Eine geradezu anal gewordene Autoritätsgläubigkeit. Und dann fehlen ausgerechnet bei den Stellen, die dunkel bleiben, die Anmerkungen. Z.B. die Rede vom “Marxschen und den Adornoschen kategorischen Imperativ”. Kategorischer Imperativ, das ist Kant. Adornos Imperativ, das bezieht sich wohl auf die Forderung, alles zu tun, damit sich Auschwitz nicht wiederholen kann. Und jetzt, nachdem ich google befragt habe, scheint es sich bei Marx’ Imperativ um eine Schlussfolgerung aus seiner Kritik der Religion zu handeln, nach der der Mensch das höchste Wesen sei, und deshalb alle Verhältnisse umzustürzen seien, in denen der Mensch “ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist”.

Avantgarde:

[J]ede Kritik am Kapital ist daran zu messen, ob sie, als ihr theoretisches Zentrum, dessen negative Selbstaufhebung in manifester Barbarei als eine wiederholbare Konstellation auf den Begriff zu bringen vermag und zum Angelpunkt der Agitation macht.

Wer agitieren will, weiss es besser. Hier soll nicht kommuniziert, sondern überrumpelt werden. Ein Stil, der sich im Übrigen durch den ganzen Artikel zieht.

Parteibildung:

Mit der Zeit hat sich eine eigenständige Strömung gesellschafts­kritischen Denkens etabliert, die sich der Aufmerksamkeit des deutschen Verfassungsschutzes ebenso sicher sein kann wie jener von österreichischen, deutschen und israelischen Tageszeitungen.

Die Grenzen sind klar, hier die Eigenständigkeit, dort die Bewunderer. Viel Feind viel Ehr, was? Die Antideutschen, mit Zentralorgan ‘Bahamas’ auf der einen Seite und den Kritikern auf der anderen Seite.

Schlussendlich: Wie unehrlich ist es wohl, die Chimäre einer Debatte zu malen, die nach Grigats eigenen Worten (“All diesen Vorwürfen ist eines gemeinsam: Sie gehen an keiner Stelle auf die Textproduktion der antideutschen Ideologiekritik ein.”) keine ist. Nach dem Lesen hat man den Eindruck, mit einem Politiker gesprochen zu haben, der auf jede Frage antwortet: ‘Ja, aber die Frage ist falsch gestellt…’ um dann in aller Seelenruhe die Frage zu ignorieren und seine eigene Agenda herunterzuleiern.

Mal sehen ob ich es durchhalte, aber mit diesem Beitrag beginnt eine Reihe kurzer Artikel über den antideutschen Autor Stephan Grigat, der u.a. in der Jungle World schreibt.

Die Artikel werden insofern kurz sein, als das sie in erster Linie das (natürlich subjektiv gemessene) Verhältnis von Schaum zu Inhalt einzelner Jungle-World-Artikel von Stephan Grigat aufzeigen werden. Denn bei all dem Ärger über die antideutschen Posen: manchmal haben sie auch wichtiges zu sagen.

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5 Comments

  1. nonono

    Schau mal auf diesem antideutschen Blog in die Sidebar. Fällt dir da in bezug Autoritätsgläubigkeit und Lenin was auf?

  2. nonono

    Also auf diesem Blog hier:

    http://www.classless.org/

  3. caribu

    ähh, nein, was soll mir denn auffallen? das classless.org auch sponti-themen aufgreift? ich habe doch deutlich gesagt, dass mir einige anti-deutsche fragestellungen durchaus interessant erscheinen. nicht ohne grund ziehe ich in erster linie über einen politik-stil her, den ich für extrem machtpolitisch halte.

  4. nonono

    Nein, ich meinte, daß classless, der allgemein als Antideutscher gilt, sich ausdrücklich von Lenin distanziert und einen Kommunismus gegen ihn stark macht. (Er hat offenbar ‘ne ganze Platte mit dem Motto und Titelbild aufgenommen…)

  5. caribu

    ja, wahrscheinlich bin ich über das ziel hinausgeschossen mit meinem wenig differenzierten rundumschlag gegen die ‘antideutschen’. so gehts mit blog-einträgen, sind nicht immer völlig durchdacht.
    was nicht heissen will, dass ich zurücknehme grigat und scheit, was ich über grigat und scheit gesagt habe. genau in deren texte enthalten ziemlich deutliche spuren einer bolschewistischen denke.

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