Ich war gerade im Podewil (Tanz im August) und habe mir dort das neue Stück ‘Album (Praticable)‘ von Frédéric Gies angesehen. Hat mir sehr gut gefallen und kann ich auf jeden Fall empfehlen. Leider hatte ich meine Kamera vergessen, sonst könnte ich hier auch noch einen visuellen Eindruck vermitteln.
‘Album’ ist ein Solo. Das Stück erinnert im Aufbau an ein Konzert oder vielleicht eher noch an ein Musik-Album (hence the name). Frédéric Gies tanzt 6 verschiedene kürzere Tänze, die durch das Album-Prinzip und ein gemeinsames Konzept zusammengehalten werden: Ein tänzerisches Konzept-Album also.
Optisch – die Bühne ist sehr hell weiss ausgeleuchtet und Fred tritt in modischen Turnhosen und T-Shirt auf – habe ich mich an ein Aerobic-Studio oder gar an ‘Medizin nach Noten’ erinnert gefühlt. Fast steht – dem Tanz zum Trotz – Sport im Vordergrund der Performance. Fred betritt die Bühne mit einer Sporttasche und schon nach dem ersten Tanz läuft der Schweiss in Strömen, um dann später in der Geste eines Boxers mit einem weissen Handtuch getrocknet zu werden. Die Wasserflasche steht auch bereit, um zwischen den Tänzen kurz zu trinken.
Zu Beginn und auch zwischen den einzelnen Teilen mutiert der Tänzer zum Entertainer. Witzige Ansprachen und Bonmots fürs Publikum; selbst das Klischee vom Musiker, der ein paar Worte in der Sprache seines Publikums spricht, wird zititert. Die Zwischenszenen sind kurz, aber wichtig, da sie die einzelnen Tänze voneinander trennen.
Die Tänze selbst sind sehr unterschiedlich, alle nur wenige Minuten lang. Sie zitieren ausgiebig verschiedene Tanzstile (Ausdruckstanz, Ballett, Disko) und schaffen es in kurzer Zeit, aus und mit den Zitaten einen eigenen, recht obsukuren Ausdruck zu entwickeln. Es geht um Repräsentation von Emotionalität, wobei aber diese Repräsentation sich sowohl auf Tanztraditionen als auch auf Popmusiktraditionen stützt.
In der Auseinandersetzung mit Tanzstilen ist ‘Album’ eine Weiterentwicklung des letzten Solos von Frédéric Gies, ‘Dance’. Dort ist die Logik der Verwendung solcher Bewegungszitate aber introvertierter als bei ‘Album’. Popmusiker müssen nun mal Rampensäue sein.
Aus den verschiedenen Ebenen: Tanz, Sport und Musik entsteht auf der Bühne ein Humor, der manchmal auch sehr ironisch wird. Trotzdem wird nicht Tanz oder Pop oder Sport durch den Kakao gezogen, sondern eher eine augenzwinkernde Distanz zur anstrengenden Arbeit ‘Bühnenperformance’ erzeugt. Ich habe jedenfalls fröhlich gelacht und hatte nie das Gefühl, zum Komplizen in einer sarkastischen Vivisektion unmoderner Tanzformen gemacht zu werden.
Schade vielleicht, dass der Humor zu schnell dominiert hat. Die Verunsicherung, die der erste Tanz erzeugt hat, als ein Sportler, merkwürdige Bewegungen und merkwürdige Musik sich trafen, hätte länger dauern oder doch zumindest häufiger auftauchen können. Es wäre zu wenig, wenn ‘Album’ zu sehr amüsiert und nicht genug verunsichert.
Im Oktober tritt Frédéric Gies mit der Gruppenversion von ‘Dance’ in den Sophiensaelen auf.
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