Der Jungle World Artikel, über den ich mich in ‘Leninisten mit Klappe‘ geärgert habe, ist offensichtlich auch anderen Leuten sauer aufgestossen. Eine Woche später erschien in der Jungle World eine Antwort: Juden als nützliche Idioten von Ingo Way und Stefan Wirner. Es ist eine recht polemische Auseinandersetzung mit Grigats Dossier, dessen Hauptvorwurf lautet: Die Antideutschen würden Juden als Rechtfertigung für ihre Thesen benutzen und sich einer Auseinandersetzung mit ihnen gleichzeitig verweigern.

Schon als ich den Artikel las, dachte ich mir: Da gibts bestimmt eine Antwort und so geschah es dann auch. Von den vier Leserbriefen in der aktuellen Jungle World (34/2008) sind vier ‘kritische’ Antworten auf Way/Wirner. Wieviele von den vieren direkt zur antideutschen K-Gruppe gehören und wieviele nur damit sympathisieren, war auf die Schnelle nicht mehr festzustellen. Eine Google-Suche ist zumindest bei Regitz erfolgreich, der offensichtlich schon einiges Einschlägiges verfasst hat. Keiner der Leserbriefschreiber geht auf Way/Wirners Kernthese ein, stattdessen regen sich alle über die abfälligen Bemerkungen der beiden bezüglich Kommunismus auf. So wie sich Way/Wirner zu Kommunismus äußern, würde ich auch widersprechen, aber der Leninimus-Kommunismus der K-Anti-Deutschen kann mir sicher auch gestohlen bleiben.

Lange Vorrede, aber nun zu Gerhard Scheits Text. Zuerst einmal fällt auf, dass auch Scheit sich der Auseinandersetzung mit Way/Wirner zu ihrer Kernthese entzieht. Er übergeht sie nicht mit Schweigen wie die Leserbriefschreiber, sondern er diskreditiert sie, indem er Way/Wirner vorwirft, die Thesen Grigats falsch bzw. entstellt wiederzugeben. Das ist aber nicht so leicht, und deshalb muss in die Mottenkiste gegriffen werden. Zuerst wird den beiden Übertreibung in einer Nebensächlichkeit vorgeworfen, und dann die Kernthese ohne weitere Argumente verworfen:

Wenn Stephan Grigat schreibt, »der eine oder die andere Antideutsche jüngeren Semesters sollte besser Adorno lesen als eifrig He­bräisch pauken«, macht daraus die Anklage, es werde »der Boykott von Hebräisch-Kursen empfohlen«. Nach dieser Methode wird ihm unterscho­ben, dass er den Zionismus als »Irrweg« sehe und Israel als das Resultat »falscher Schlüsse«, wel­che die Juden aus dem Holocaust gezogen hätten. Das ist vor dem Hintergrund dessen, was Gri­gat geschrieben hat, so grotesk, dass eigentlich nur noch der Verdacht fehlt, er und seine »Mitstreiter«, wie übrigens auch der Mossad, seien vom Iran finanziert.

Der schon in diesem Zitat auffällige gehässige und wohl kaum einer Diskussion würdige Stil zieht sich auch in Anwürfen wie “infamer Irrsinn” weiter durch Scheits Text.

Interessant ist, dass Scheit den beiden vorwirft, was meiner Meinung nach doch für die Antideutschen gilt: Parteisoldaten zu sein ohne Partei. Scheit selber scheint sich seiner Autoritätshörigkeit jedenfalls nicht bewusst, will aber den Staat verteidigen:

Und wenn es einen Fortschritt gab in der anti­deutschen Kritik, dann betrifft er die Fähigkeit, mit den Augen des Westens zu sehen: zu erkennen, dass Staat nicht gleich Staat ist und die liberale bürgerliche Gesellschaft verteidigt werden muss – ohne darum auszublenden, dass diese Gesellschaft nicht nur ihre Versprechen nicht erfüllen kann, sondern sich in der Krise selbst ad absurdum zu führen droht.

Für mich passt es jedenfalls ins Muster. Den Staat verteidigen und den Staat als Schutzmacht in Anspruch nehmen, das sind jedenfalls keine revolutionären Vorhaben, das ist pure leninistische Politik. Sowas kann nur wollen, wer glaubt, schon das richtige Bewusstsein erreicht zu haben. Und in der Tat:

Wer das einzig notwendige, »notwendig falsche« Bewusstsein des Zionismus wirklich gewonnen hat, wird für solche Insinuationen ohnehin nicht anfällig sein.

Ein solches Urteil lässt sich wohl nur von dem Standpunkt des richtigen Bewusstseins her fällen. Die Vorstellung, dass das richtige Bewusstsein erst im Kampf für Befreiung und gegen das Kapital und seinen Staat entsteht, war den Leninisten schon immer nur Lippenbekenntnis, denn die-Partei-die-Partei-die-hat-immer-recht und die Partei ist ihnen Trägerin des richtigen Bewusstseins lange vor der Revolution. So offensichtlich auch für Scheit.

Was auch immer Scheit da schreibt, das Niveau von lesenswerter Kritik erreicht er selten.