Vorgestern habe ich “The Making of Doubt” von Colette Sadler in der fabrik potsdam gesehen. Es ist ein Tanzstück mit vier Tänzer/innen und vier “Puppen”. Zwei der Puppen sind sehr bis zur Verwechslung menschenähnlich und zwei sind menschengroße Pappen. Das Stück besteht aus drei Teilen, im ersten Teil wird mit den menschenähnlichen Puppen gespielt und getanzt, im zweiten Teil kommen die Pappen zum Einsatz und im dritten Teil verwenden die Tänzer/innen zusätzliche, künstliche Gliedmassen.
[Hypothesized emotional response of human subjects is plotted against anthropomorphism of a robot, following Mori’s statements. The uncanny valley is the region of negative emotional response towards robots that seem “almost human.” Movement amplifies the emotional response. [image from wikipedia]
Durch diesen Einsatz von puppenartigen Requisten wird das Tanzstück zum Figurentheater. Figuren und Menschen werden fast gleichberechtigt eingesetzt. Die Menschenpuppen tanzen wie Menschen und die Menschen tanzen wie Puppen, fallen in sich zusammen, benötigen den Halt von andern Tänzer/innen, bewegen sich am Rand des Lebendigen.
Dies erzeugt über das Stück hinweg einen leichten Grusel, man fühlt sich besonders im ersten Teil an Zombie-Filme erinnert, da die Bewegungen scheinbar ziellos und ungelenk wirken. Die Unheimlichkeit wird verstärkt durch die Schwierigkeit, Menschen und Puppen auseinanderzuhalten. Zum Ende des ersten Teils entledigen sich die Tänzer/innen der Puppen auf zum Teil recht drastische Art und verschwinden hinter den Pappen.
Von nun an sind während des zweiten Teils die Menschen unsichtbar, und es tanzen nur noch die Pappen. Diese Pappen werden zu Masken, die viel eleganter tanzen, als vorher die Menschen. Sie stehen vielleicht für eine nostalgische Vorstellung von Tanz als Körperästhetik. Als Masken verkörpern sie aber auch die Unmöglichkeit, sich dieser veralteten Ästhethik ungebrochen und direkt zu bedienen. Eingefasst zwischen den Zombies des ersten und den Mutanten des dritten Teils, bekommt diese Szene, zumal sie im Gegensatz zu den anderen Teilen von Tanzmusik unterlegt ist, den Charakter eines Traumes.
Der dritte Teil ist das Aufwachen in einer neuen Realität. Die Tänzer/innen haben sich verändert, haben entweder einen Arm oder ein Bein mehr. Die jetzt beginnenden Bewegungen haben sowohl den Charakter einer Erforschung dieser neuen Gliedmassen, als auch eine Selbstverständlichkeit im Umgang mit ihnen, die eine neue Form von Tanz ermöglicht.
Das Stück endet damit, dass sich die Tänzer/innen ihrer zuätzlichen Arme und Beine entledigen und wieder zu nakten Menschen werden.
Im Prinzip sehr unterhaltsam, so wie auch Zombiefilme unterhaltsam und spannend sein können, fehlt dem Stück eine Konsequenz. Weder ruhig und gelassen im Umgang mit dem Unheimlichen, noch das Unheimliche wirklich bejahend, noch das Spiel mit den Figuren vollständig zum ziellosen Spiel werden lassend, war ich mir am Ende nicht klar, welche Haltung das Stück zu Menschen und Figuren einnehmen wollte.
Auf dem Weg in das Uncanny Valley scheint mir Colette Sadler auf den Hängen des Tal stehengeblieben zu sein, um einen Blick zu werfen, bis zur Talsohle will sie das Publikum aber nicht mitnehmen.
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